Das Aus für die Freizeitpädagogik?! SO NICHT!

FZP2 (c) BiM Betriebsrat

Aktuell ist eine Novelle der Schulgesetze in Vorbereitung, die gravierende Auswirkungen auf die Freizeitpädagogik haben wird. Wir können dabei nichts schönreden: Die uns derzeit (Stand: 22.5.2023) bekannten Informationen würden die Eliminierung der Freizeitpädagogik, verbunden mit katastrophalen Verschlechterungen der Dienstverhältnisse, der Ausbildung und der Betreuung sowie massive Personalkürzungen und das Ende der Bildung im Mittelpunkt GmbH bedeuten. Die Regierung plant anscheinend dies noch vor dem Sommer beschließen und mit September 2024 umzusetzen.

Die neue Berufsgruppe: „Assistenzpädagoge“

Die zentrale Änderung der Novelle ist die Einführung sogenannter „Assistenzpädagogen“ (im Gesetz gibt es hier keine weibliche Form). Sie sollen die tausenden Kolleg:innen ersetzen, die bisher als Freizeitpädagog:innen und Erzieher:innen für unterschiedliche Arbeitgeber (Vereine, GmbHs, …) in ganz Österreich arbeiten. Gleichzeitig ist vorgesehen, dass die Assistenzpädagog:innen im öffentlichen Dienst arbeiten – dies wäre das Ende für die Träger, die bisher diese Arbeit leisten, also auch für die BiM. Der gesamte Beruf der Freizeitpädagog:innen und der entsprechende Lehrgang auf den Pädagogischen Hochschulen sollen komplett aus den Gesetzen gestrichen werden. Zwar ist eine Übernahme von bisher tätigen Freizeitpädagog:innen als „Assistenzpädagogen“ wohl angedacht (wo sollten tausende von diesen auch sonst plötzlich herkommen?), sie ist aber in dem Gesetzesentwurf defacto nicht geregelt.

Lohnraub von bis zu 19%

Die Novelle beinhaltet auch das Gehaltsschema der neuen Assistenzpädagog:innen. Sollte dies so umgesetzt werden, bedeutet das massive Gehaltskürzungen. Der Vergleich mit unserem aktuellen Gehalt zeigt, dass vor allem in den ersten Jahren mit einem Minus von bis zu 19% zu rechnen ist. Erst nach über 18(!) Berufsjahren würde die Anwendung dieses Gehaltsschemas mit unserem jetzt gültigen Kollektivvertrag (Sozialwirtschaft Österreich, SWÖ, Verwendungsgruppe 7) gleichziehen bzw. diesen erst ab 24,5 Jahren spürbar überholen. Und das auch nur, wenn es zur vollen Anrechnung sämtlicher bisheriger Vordienstzeiten kommt.

Konkrete Beispiele: Kollegin A arbeitet seit drei Jahren als Freizeitpädagogin – sie würde knapp 19% verlieren. Kollege B arbeitet seit 13 Jahren als Freizeitpädagoge – er würde fast 11% verlieren (zum Hintergrund dieser Berechnungen siehe unten).

Zusätzlich würde der Umstieg auch den Wegfall der aktuellen Zulage SEG (Schmutz, Erschwernis und Gefahren) bedeuten. Abhängig vom Standort bekommen alle Freizeitpädagog:innen in der BiM monatlich zwischen mindestens 32,34 EUR und maximal 140,19 EUR SEG-Zulage. Weiters steht dzt. laut Kollektivvertrag auch zusätzliche Vorbereitungszeit für inklusiv bzw. sonderpädagogisch tätige Pädagog:innen zur Verfügung.

Massiver Personalabbau?

Doch nicht nur was den drohenden Lohnraub angeht, müssen alle Alarmglocken schrillen. Bereits jetzt arbeiten wir unter schwierigen Bedingungen und haben mit den Folgen des Personalmangels zu kämpfen. Anscheinend soll im Zuge der Umsetzung auch massiv Personal reduziert werden. So eine umfassende Personalkürzung hätte gravierende Auswirkungen auf den gesamten Volksschulbetrieb in Wien und bedeutet im Grunde eine vollständige Verunmöglichung qualitativ hochwertiger freizeitpädagogischer Betreuung in ganztägigen Volksschulen.

Halbierung der Ausbildung & Verschärfung der Aufnahmebedingungen

Die zentrale Voraussetzung für den Einstieg in die Tätigkeit als Freizeitpädagog:in ist aktuell der entsprechende Lehrgang auf der Pädagogischen Hochschule im Umfang von zwei Semestern (60 ETCS) oder eine vergleichbare bzw. höherwertige Ausbildung. Diese Mindest-Ausbildung soll durch die Novelle schlichtweg halbiert werden. Die Ausbildung zur Assistenzpädagog:in sieht lediglich 30 ECTS-Punkte vor. Das ist fatal: die psychischen, physischen und pädagogischen Anforderungen an Pädagog:innen haben sich in den letzten Jahren immer weiter erhöht. Schon jetzt sind viele Kolleg:innen am Limit. Obwohl es eigentlich einen Ausbau der Ausbildung benötigen würde, soll sie nun halbiert werden – bei einer gleichzeitigen Ausweitung des Aufgabenbereichs. Dass dies nur unter gravierenden Qualitätsverlusten in der Pädagogik und unter weiteren Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen möglich sein wird, liegt auf der Hand.

Neben der Halbierung der notwendigen Ausbildung einerseits ist andererseits absurderweise vorgesehen, die Matura als Voraussetzung für den Beruf einzuführen. Aktuell ist für die Ausübung des Berufs keine Matura notwendig. Diese formale Hürde ist für einen Beruf mit musischen, kreativen, sportlichen und sozialen Hauptaspekten nicht nachvollziehbar. In den ganztägigen Schulen Wiens leisten momentan hunderte Kolleg:innen ohne Matura großartige und wertvolle pädagogische Arbeit für die Kinder dieser Stadt. Die Einführung dieses Aufnahmekriteriums würde zusätzlich den bestehenden Personalnotstand weiter verschärfen.

Für aktuell bei der BiM tätige Freizeitpädagog:innen, die eine Ausbildung im Ausland (Sozialpädagog:innen, Volksschullehrer:innen, etc.) absolviert, oder andere Quellberufe und Ausbildungen im psycho-sozialen Bereich haben, stellt dies eine zusätzliche Hürde mit unklaren Folgen dar.

BiM-Zentrale, Verwaltungs- und Unterstützungspersonal

Der Entwurf der Novelle geht mit keinem Wort auf jene Kolleg:innen ein, die nicht direkt als Freizeitpädagog:innen tätig sind. Die Auswirkungen auf über 50 Kolleg:innen, die in der BiM-Zentrale arbeiten, sind völlig unklar – im schlimmsten Fall werden sie ihre Arbeit verlieren ohne die Möglichkeit einer Übernahme durch öffentliche Träger. Ebenso unklar ist die Zukunft des Unterstützungspersonals wie Pflegeassistent:innen, Anstaltsgehilf:innen und den gerade neu ausgebildeteten Assisten:innen der Freizeitpädagogik

Hierarchischer Schulbetrieb statt qualitätsvoller Freizeit für die Kinder in ganztägigen Schulen

Die bisherige gesetzliche Hauptaufgabe der Freizeitpädago:innen ist die „Gestaltung des Betreuungsteils unter Bedachtnahme auf freizeitpädagogische Erfordernisse“. Diese soll aus dem Gesetz gestrichen werden. Die Hauptaufgabe der neu geplanten Assistenzpädagogen hingegen ist die „Unterstützung anderer Lehrpersonen“, Durchführung von „Ergänzungsübungen“ und „Förderübungen“ und ganz zuletzt die „Durchführung des Betreuungsteils an ganztägigen Schulen“.

Die Richtung ist klar: Statt in ganztägigen Schulen den Kindern auch Freiräume und Freizeit zu gewähren und sie durch freizeitpädagogische Fachkräfte für soziales Lernen dabei mit künstlerischen, kreativen, musikalischen, sportlichen und technisch-forschenden Angeboten zu unterstützen, soll das Berufsfeld Schule weiter hierarchisiert werden. Der Aufgabenbereich der Lehrer:innen wird ohne Kompensation zu dem einer pädagogischen Mini-Leitung ausgeweitet, welcher die:der Assistenzpädagog:in nun zuarbeitet. Für die Kinder wird im Ganztag dann nur noch „Betreuung durchgeführt“. Dies ist eine katastrophale Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in ganztägigen Schulen: Durch die Ausweitung des Einsatzgebiets der Freizeitpädagog:innen bzw. „Assistenzpädagogen“ bei gleichzeitiger inhaltlicher Verkümmerung ist eine massive Arbeitsverdichtung zu erwarten. Zusätzlich ist anzunehmen, dass die Regierung durch diesen Entwurf plant, den Personalmangel bei Lehrer:innen durch Ersatz mit billigeren und schlecht ausgebildeten „Assistenzpädagogen“ zu bekämpfen und dadurch einen weiteren Qualitätsverlust sowie eine Arbeitsverdichtung bei Lehrer:innen in Kauf zu nehmen. Ein trister Ausblick nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für alle Kinder in ganztägigen Schulformen.

Arbeitsrecht: Viele Unklarheiten

Wir wollen ehrlich sein: Was die Folgen eines solchen Gesetzespakets betrifft, haben wir aktuell mehr Fragen als Antworten. Auch wir als BiM-Betriebsrat wurden von dieser Ankündigung überrollt. Eine Vielzahl an Punkten ist für uns noch unklar, das betrifft unter anderem mögliche Übergangsbestimmungen, die konkrete Arbeitszeit, die Anrechnung von Vordienstzeiten etc. Völlig offen ist in unseren Augen ebenfalls der Umgang mit aktuell gültigen Vereinbarungen wie Karenzen, Eltern-, Alters- und Wiedereingliederungsteilzeit, Urlaubsbestimmungen, Fortbildungen, Abfertigungen usw. Der Gesetzesentwurf sieht ausschließlich die Funktion der Freizeitleitung vor. Was das für die Zukunft unserer Teamleiter:innen bedeuten würde, ist für uns ebenfalls unklar.

SO NICHT! Wir kämpfen für bessere statt schlechtere Arbeitsbedingungen!

Sollte die Novelle so umgesetzt werden, wie sie nach unserem Informationsstand geplant ist, stehen katastrophale Änderungen ins Haus. Wir können die befürchteten Änderungen folgendermaßen auf den Punkt bringen: weniger Geld, mehr Arbeit, weniger Personal und schlechtere Ausbildung.

Im Extremfall bedeutet dies Arbeitslosigkeit für hunderte Kolleg:innen.

Wir sind fest dazu entschlossen, dies nicht hinzunehmen. Bereits in der Vergangenheit haben wir oft gezeigt, dass wir dazu in der Lage sind, große Betriebsversammlungen, Demos und Streiks zu organisieren. Dabei stehen wir nicht alleine da, sondern werden von unserer Gewerkschaft GPA, dem ÖGB und der Arbeiterkammer unterstützt. Als ersten Schritt treffen wir uns daher am 24. Mai zu einer Betriebsversammlung. Lasst uns gemeinsam entschlossene Kampfmaßnahmen vorbereiten!

In dieser Auseinandersetzung ist der gesamte Schulbetrieb betroffen: zu befürchten sind weitreichende Auswirkungen für die Betreuungsmöglichkeiten für Eltern, die Betreuungssituation von Kindern sowie die Arbeitssituation der Lehrer:innen.

Obwohl es grundsätzlich sinnvoll ist, dass der Staat Verantwortung für die (freizeitpädagogische) Betreuung übernimmt, ist die derzeit zu befürchtende  Umsetzung absolut inakzeptabel.

Wir fordern die politisch Verantwortlichen auf, diesen unverantwortlichen, unausgegorenen und katastrophalen Änderungen, die in Hinterzimmern ohne Einbindung der Betroffenen erdacht wurden, nicht zuzustimmen. Stattdessen müssen sofort öffentliche Verhandlungen mit den gewählten Betriebsräten und Vertretungen aller betroffenen Berufsgruppen, Gewerkschaft und Arbeiterkammer sowie Elternvertreter:innen aufgenommen werden.

Wir rufen alle solidarischen Organisationen, Vereine und Einzelpersonen dazu auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv zu werden und diese umfassenden Verschlechterungen zu verhindern.

Wir kämpfen für den vollständigen Erhalt aller Arbeitsplätze in Qualität und Quantität und für eine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen!

Anmerkungen & Erläuterungen

Hintergrund der Gehaltsberechnung

Die arbeitsrechtlichen Grundlagen zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft sind deutlich verschieden. Wir versuchen, den Hintergrund unserer Berechnungen transparent zu machen. Hier die detaillierte Berechnung.

Aktuell werden wir nach dem Kollektivvertrag Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) bezahlt. Freizeitpädagog:innen (bei mindestens dem absolvierten Lehrgang auf der Pädagogischen Hochschule) sind im SWÖ-KV in die Verwendungsgruppe 7 eingereiht. Dies trifft auf einen Großteil der Beschäftigten in der BiM zu. Ein Vollzeit-Vertrag im SWÖ-KV sind 37 Wochenstunden, jede Stunde darüber hinaus wird zusätzlich bezahlt (teilweise auch mit Zuschlag). Im öffentlichen Dienst gilt die 40-Stunden-Woche. Um die Monatsgehälter bzw. den Stundenlohn vergleichbar zu machen, muss also das SWÖ-Gehalt auf 40-Stunden hochgerechnet werden.

Im SWÖ-Kollektivvertrag erfolgt alle zwei Jahre eine Vorrückung der Gehaltsstufe, das Entlohnungsschema der Novelle folgt nach unseren Informationen einer anderen Logik (Vorrückungen gibt hier es nach 3,5, 5 und 6 Jahren). Das bedeutet, dass es im Vergleich immer wieder zu einem Auf und Ab kommen kann.

Weitere Infos

Gehaltsvergleich SWÖ-KV – pdA-Schema

Forderungen zur Schulrechtsnovelle

Download Entwurf Schulrechtsnovelle (Stand Anfang Mai)

Download Erläuterungen zum Entwurf der Schulrechtsnovelle (Stand Anfang Mai)

Download der Stellungnahme als PDF

Download Brief an Schulpartner:innen

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